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Frau die auf dem Sofa sitzt und auf dem Handy liest

Literarische Unterstützung gegen den Alltagsstress

Wer kennt es nicht: Alltagstrott, Routine, Stress. Häufig überkommt uns das Gefühl, in unserem alltäglichen Leben nichts aufregendes mehr zu erleben. Hier finden Sie Gedichte, die helfen, dem Alltagstrott zu entfliehen und etwas Abwechslung in die täglichen Routinen zu bringen. Denn wie sagte Mark Twain so schön? „Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.“

Weisheitszahn

Friedrich Theodor von Vischer

Der sogenannte Weisheitszahn,
Zwar als der letzte kommt er an,
Doch immer früh genug.
Der Name scheint mir Trug.
Der Weisheit kleine Portion,
Wozu es bringt der Erdensohn,
Sie wird mit Schmerzen erst geboren,
Wenn wir schon manchen Zahn verloren.

An mein Gedächtnis

Adolf Bube

Wie bist du, mein Gedächtnis,
Dem tiefen Meere gleich,
Das von dem Weltvermächtnis
Gesunk'ner Schätze reich!

Ich hab' in dich Gestalten,
Mir lieb und wert, versenkt,
Dir froher Tage Walten
Und Hoffnungsglück geschenkt.

Von deiner Flut verschlungen
Bleibt vieles unsichtbar;
Doch, was sich ihr entrungen,
Das schwebt hoch oben klar.

So wie das Meer Korallen
Und Bernstein, wirfst auch du
Im raschen Überwallen
Mir edle Gaben zu.

Oft riß dein Nebelschleier
mir in verschwieg'ner Nacht,
Wenn ich in ernster Feier
Mit regem Geist gewacht.

Dann stieg aus deinem Grunde
Manch holdes Bild empor,
Von dem sich mir die Kunde
Schon lange Zeit verlor.

Doch hell zu allen Zeiten,
Sah ich auf deiner Flut
Ein Bild bezaubernd gleiten, –
Mein höchstes Glück und Gut.

Über den Bergen

Carl Hermann Busse

Über den Bergen,
weit zu wandern, sagen die Leute,
wohnt das Glück.
Ach, und ich ging,
im Schwarme der andern,
kam mit verweinten Augen zurück.
Über den Bergen,
weit, weit drüben, sagen die Leute,
wohnt das Glück.

Die Unterhose

Christian Morgenstern

Heilig ist die Unterhose,
wenn sie sich in Sonn und Wind,
frei von ihrem Alltagslose,
auf ihr wahres Selbst besinnt.

Fröhlich ledig der Blamage
steter Souterränität,
wirkt am Seil sie als Staffage,
wie ein Segel leicht gebläht.

Keinen Tropus ihr zum Ruhme
spart des Malers Kompetenz,
preist sie seine treuste Blume
Sommer, Winter, Herbst und Lenz.

Reisespruch

Otto Julius Bierbaum

Bunte Dörfer, bunte Kühe,
Ackerpracht und Ackermühe,
Reichsten Lebens frischer Lauf.
Dreht sich alles weit im Kreise;
Mittendurch geht deine Reise:
Thu nur Herz und Augen auf.

Die Katzen

Maria Luise Weissmann

Sie sind sehr kühl und biegsam, wenn sie schreiten,
Und ihre Leiber fließen sanft entlang.
Wenn sie die blumenhaften Füße breiten,
Schmiegt sich die Erde ihrem runden Gang.

Ihr Blick ist demuthaft und manchmal etwas irr.
Dann spinnen ihre Krallen fremde Fäden,
Aus Haar und Seide schmerzliches Gewirr,
Vor Kellerstufen und zerbrochnen Läden.

Im Abend sind sie groß und ganz entrückt,
Verzauberte auf nächtlich weißen Steinen,
In Schmerz und Wollust sehnsuchtskrank verzückt
Hörst du sie fern durch deine Nächte weinen.

Die Ameisen

Joachim Ringelnatz

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.

Sprüche der Albernheit

Ludwig Eichrodt

Hüte dich vor Hund und Katzen,
Hüte dich vor Laus und Floh,
Denn die einen können kratzen,
Und die andern beißen froh.
Darum selber thu' dich kratzen
Darum leb wie Laus' und Floh,
Aber nicht wie Hund und Katzen,
Laus und Hund und Katzen kratzen
Und zu hüten ist der Floh,
Willst du sein des Lebens froh.

Trübes Wetter

Gottfried Keller

Es ist ein stiller Regentag,
So weich, so ernst – und doch so klar,
Wo durch den Dämmer brechen mag
Die Sonne weiß und sonderbar.

Ein wunderliches Zwielicht spielt
Beschaulich über Berg und Tal,
Und die Natur, lind abgekühlt,
Sie weint und lächelt allzumal!

Wie ein Kristall, von Flor umhängt,
Erglänzt geheimnisvoll die Luft,
Der Tag glimmt spärlich und bedrängt,
Wie Lampenschein in einer Gruft.

Die Hoffnung, das Verlorensein
Sind gleicher Stärke in mir wach;
Das Leben und die Todespein,
Sie ziehn auf meinem Herzen Schach.

Ich aber schaue innerlich
Still lächelnd zu in guter Ruh,
Und meine Seele rüstet sich
Ergebend ihrem Schicksal zu.

Liebe

Julius Sturm

O Liebe, deine Gedanken
Sind höher als Himmelshöh!
O Liebe, deine Gedanken
Sind tiefer als die See!

O Liebe, deine Gedanken
Sind schneller als der Wind,
Und leuchtender viel tausendmal,
Als Sonnenstrahlen sind.

Die Feder

Joachim Ringelnatz

Ein Federchen flog über Land;
Ein Nilpferd schlummerte im Sand.

Die Feder sprach: "Ich will es wecken";
Sie liebte, andere zu necken.

Aufs Nilpferd setzte sich die Feder
Und streichelte sein dickes Leder.

Das Nilpferd öffnete den Rachen
Und mußte ungeheuer lachen./p>

Motetto, als der erste Zahn durch war

Matthias Claudius

Victoria! Victoria!
Der kleine weiße Zahn ist da.
Du Mutter! komm, und groß und klein
Im Hause! kommt, und kuckt hinein,
Und seht den hellen weißen Schein.

Der Zahn soll Alexander heißen.
Du liebes Kind! Gott halt ihn Dir gesund,
Und geb Dir Zähne mehr in Deinen kleinen Mund,
Und immer was dafür zu beißen!

Zwischendurch

Christian Morgenstern

Ein Hund, der naß im Regen wurde,
empfand die Nässigkeit als Burde
und wünschte sich ein Taschentuch,
um sich zum mindesten die Nase –
statt dessen wälzte er im Grase
sich, doch mit Mißerfolg, da dies
ihm gleichfalls nichts als Nässe ließ.

Fünf Heilmittel gegen Schmerzen und Traurigkeit

Thomas von Aquin

Tränen,
das Mitleid der Freunde,
der Wahrheit ins Auge sehn,
schlafen,
baden.

Zwei Heimgekehrte

Anastasius Grün

Zwei Wanderer zogen hinaus zum Tor
Zur herrlichen Alpenwelt empor;
Der eine ging, weil's Mode just,
Den andern trieb der Drang in der Brust.

Und als daheim nun wieder die zwei,
Da rückte die ganze Sippe herbei,
Da wirbelt's von Fragen ohne Zahl:
"Was habt ihr gesehen? Erzählt einmal!"

Der eine drauf mit Gähnen spricht:
"Was wir gesehen? Viel war es nicht!
Ach, Bäume, Wiesen, Bach und Hain,
Und blauen Himmel und Sonnenschein!"

Der andere lächelnd dasselbe spricht,
Doch leuchtenden Blicks, mit verklärtem Gesicht:
"Ei, Bäume, Wiesen, Bach und Hain,
Und blauen Himmel und Sonnenschein!"

Reisen

August von Platen-Hallermünde

Ein Tor, wer immer stille steht,
Drum Lebewohl, und reisen wir!
Ich lobe mir, ich lobe mir,
Die Liebe, die auf Reisen geht!
Drum säume nicht,
Und träume nicht,
Wer meinen Wink versteht!

Sport

Fritz von Ostini

Ich habe jeden Sport getrieben,
Ich focht mit Säbel und Floret,
Ich war berühmt im Kegelschieben
Kann Tennnis, Schach, Billard, Croquet,
Ich ritt spazieren hoch zu Pferde –
Ich fuhr sogar mit Vieren schon,
Ich fuhr per Dampfschiff um die Erde,
Ich stieg empor im Luftballon;
Ich habe jeden Berg bestiegen
Und war im Eislauf äußerst flink,
Es konnte keiner mich besiegen
An Grazie auf dem Skating-Ring.
Ich fuhr mit jeglichem Vehikel
Umher auf diesem Erdenkreis,
Und dennoch ist mir mein Bicycle
Das liebste Fuhrwerk, das ich weiß…

Die Welt ist allzeit schön

Barthold Heinrich Brockes

Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast Smaragden Schein.

Im Sommer gläntzt das reife Feld,
Und scheint dem Golde gleich zu seyn.

Im Herbste sieht man, als Opalen,
Der Bäume bunte Blätter strahlen.

Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Fluth und Land.

Ja kurtz, wenn wir die Welt aufmercksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.

Empfehlung

Wilhelm Busch

Du bist nervös. Drum lies doch mal
Das Buch, das man dir anempfahl.
Es ist beinah wie eine Reise
Im alten wohlbekannten Gleise.
Der Weg ist grad und flach das Land,
Rechts, links und unten nichts wie Sand.
Kein Räderlärm verbittert dich,
Kein harter Stoß erschüttert dich,
Und bald umfängt dich sanft und kühl
Ein Kaumvorhandenseinsgefühl.
Du bist behaglich eingenickt.
Dann, wenn du angenehm erquickt,
Kehrst du beim »stillen Wirte« ein.
Da gibt es weder Bier noch Wein.
Du schlürfst ein wenig Apfelmost,
Ißt eine leichte Löffelkost
Mit wenig Fett und vieler Grütze,
Gehst früh zu Bett in spitzer Mütze
Und trinkst zuletzt ein Gläschen Wasser.
Schlaf wohl und segne den Verfasser!

Sonne

Carmen Sylva

Der Sturm sprach einst: "Ich kenne
die Welt; denn ich zerpflücke sie."
Da sprach der Reif: "Ich kenne
die Welt; denn ich erdrücke sie."
Die Sonne lacht: "Ich kenne
sie besser; denn ich beglücke sie."

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